Wootten wusste auch, dass einige der frühen Pioniere auf diesem Gebiet ein seltsames Phänomen beobachtet hatten. Nachdem sie die Prognosetechnologie tausende Male eingesetzt hatten, entwickelten sie ein Gespür dafür, wo der Ball landen würde, auch ohne den Computer. „Es ist wie bei einem Sportler“, sagte Mark Billings, ein lebenslanger Spieler und Autor von Follow the Bouncing Ball: Silicon vs Roulette, in einem Interview. „Irgendwann kommen alle diese Dinge zusammen. Man schaut auf das Rad. Man weiß es einfach.“ Casinos nennen es „zerebrales“ Taktieren. Alles, was man dazu braucht, ist ein Abwurfbereich und einen starken, gut trainierten Verstand.
Wootten und Barnett debattieren bis heute über diesen Punkt. Ein Roulette-Computer war eine nette Erklärung für das Casinopersonal, das sich die schäbige Ausrüstung nicht zu genau ansehen wollte, und für Wootten, der all den Führungskräften, die ihn ausgelacht hatten, etwas beweisen wollte. Aber als ein Journalist mit Barnett sprach, argumentierte er, dass das Rad im Ritz so alt und vorhersehbar war, dass Tosa keinen Computer gebraucht hätte, um es zu besiegen. „Der blinde Freddie konnte das Rad, das sie spielten, schlagen“, sagte er.
Damals wollte auch er an Betrug glauben. „Ich wollte auf meinem weißen Pferd zu Scotland Yard reiten und die Masche aufdecken“, erinnert er sich. „Das Problem war nur, dass es nicht den geringsten Beweis gab.
Ohne diese, so Barnett, gab es nur noch eine Sache zu tun: „Der einzige Weg, wie wir es wirklich wissen können, ist, mit Niko zu sprechen.“
Das sollte sich nicht als allzu einfach gestalten, Tosa ausfindig zu machen. Immerhin hat er die meiste Zeit seiner Karriere damit verbracht, nicht gefunden zu werden. Natürlich gab es keine Aufzeichnungen über ihn in Firmen- oder Eigentumsregistern, in Nachrichtenberichten oder in den sozialen Medien. Mit eifriger Recherche gelang es allerdings, eine Liste seiner Spielpartner in die Hände zu bekommen. Aber auch von hier aus führten alle Namen darauf in eine Sackgasse.
Die Geschäftspartner seiner Ritz-Kollegen, Pilisi und Marjanovic, ignorierten Anrufe und E-Mails und blockierten die Nummer, wenn man versuchte, sie über SMS zu kontaktieren. Es konnte zwar einen serbischen Geschäftsmann, der die beiden zu kennen schien, aufgetrieben werden, aber er sagte, er habe den Kontakt vor Jahren verloren und versuche, sie selbst zu finden. Bei genauerer Nachfrage wurde er wütend: „Welchen Teil verstehen Sie nicht?“
Eine Chance, Tosa zu finden, schien sich aufzutun, als einer von Tosas neueren Partnern eine Adresse in West-London angab, aber die Ex-Frau des Mannes öffnete die Tür und sagte, er sei nach ihrer Trennung zurück nach Montenegro gezogen. So ging es weiter.
Irgendwann fiel auf, dass die verschiedenen Adressen, die Tosa den Casinos im Laufe der Jahre gegeben hatte, alle an demselben Abschnitt der kroatischen Küste, südlich von Dubrovnik, lagen. Meistens waren es kleine Dörfer. Blieb zu hoffen, dass dort jemand von ihm gehört hatte, also zog ein Journalist los, um sich umzuhören. Nachdem er ein paar Mal nicht fündig geworden war, fand er einen ehemaligen Nachbarn und zeigte ihm das Foto von Tosa. Der Nachbar sagte, er habe eine Ferienvilla in der Nähe, nur ein Stückchen weiter vom örtlichen Supermarkt entfernt. „Versuchen Sie es dort.“
Ein Journalist fand Tosa vor dem Haus, wo er an einem Geländewagen arbeitete. Er war sehr freundlich, sagte aber, er spreche nicht mit Reportern. Er bot eine Telefonnummer an, aber er ging nicht ran, als man ihn anrief.
Im November 2022 flog der Bloomberg Journalist Keith Shellel (auch Kit Chellel) nach Dubrovnik, um Tosa persönlich aufzusuchen. An dem Tag, an dem er ankam, zog ein Sturm von der Adria heran, der Regenbögen gegen die Klippen schleuderte und die wenigen Touristen außerhalb der Saison in ihre Hotels trieb. Tosas Villa lag eine Autostunde entfernt an einer kurvenreichen Küstenstraße. Ein massives Eisentor versperrte den Eingang zu seiner Haustür und niemand war zu Hause, also faltete Shellel einen Zettel in eine Plastikhülle, um ihn vor dem Regen zu schützen, und schob ihn unter dem Tor hindurch.
Das einzige Café der Stadt war geöffnet und voller kettenrauchender Einheimischer in Jogginganzügen. Es war ein unprätentiöses Lokal, das mit Postern Der Pate dekoriert war. Shellel bestellte einen Kaffee und begann ein Gespräch mit dem Barmann. Wusste er, dass der wahrscheinlich erfolgreichste Roulettespieler der Welt hier um die Ecke ein Haus hatte? Nein, sagte er, er spiele nie. Er hielt es für eine gute Möglichkeit, Geld zu verlieren.
Der Journalist zeigte ihm ein Bild von Tosa. Dieser sagte, er erkenne den Mann nicht, sei aber neugierig, woher das Foto käme. Nach einer Weile gab Shellel ein Trinkgeld, verabschiedete sich und ging enttäuscht in Richtung seines Autos.
Der Barmann kam im strömenden Regen herausgerannt. „Ich habe ihn gerade angerufen“, sagte er. „Er ist ein guter Freund von mir. Ich wollte erst mit ihm sprechen. Er ist in Dubrovnik.“ Tosa rief Keith Shellel ein paar Stunden später an, und sie verabredeten sich in einem Fischrestaurant im alten Hafen.
Ob dieses Gespräch endlich die lang ersehnten Antworten liefert, lesen Sie nächste Woche in Teil 10 unserer Top Story…
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